Loading color scheme

Über die Ausstellung "Holzskulptur - Die Sehnsucht nach der Figur"

Holzbildhauerei von Ronny Denner vom Galerie Atelier III - Karin Weißenbacher, Einführung in die Kunstausstellung am 2. März 2019 

mehr über das Galerie Atelier III | mehr über Karin Weißenbacher

Erstmalig hat Denner im hiesigen Skulpturenpark Pfingsten im Außenbereich der Schlossinsel einige seiner Werke präsentiert. Nun folgt die erste Einzelausstellung hier in der Galerie Atelier III.
Denner lebt und arbeitet in der historischen Gemeinde Empfertshausen – das liegt in Thüringen im Kreis Wartburg an der Rhön.
Es ist landschaftlich wunderschön gelegen und gehört zum dortigen Biosphärenreservat Rhön. Das besondere an der Gemeinde Empfertshausen ist, das sie seit vielen Generationen eine sogenannte ‚Holzschnitzer Stadt‘ ist, dort ist die traditionsreiche und renommierte Holzschnitzer schule ansässig, an der Denner selbst als Meister das Holzschnitzen | Holzbildhauerei unterrichtet. Er selbst stammt aus einer alten Holzschnitzer Familie und war schon als Knabe in der Werkstatt, wo wohl seinerzeit der Hauptimpuls für seine Berufung gegeben worden sein mag.
2007 schloss er seine Ausbildung als Holzbildhauer im Empfertshausen ab und im Jahre 2010 absolvierte er seinen Meister.

Denner hat es in seinen Wanderjahren zwischen 2002 und 2005 immer wieder nach Estland und Irland oder auch in die Alpen gezogen, wo er Wanderungen unternahm, stets auf der Suche nach geeigneten Holzkörpern für seine sensiblen Werke. Die von der Natur vorgeformten Holzstücke, Äste und Wurzeln dienen ihm als Inspiration für die daraus entstehenden Skulpturen. Der Charakter der vorgefunden Holzstücke bleibt erhalten, hier in der Ausstellung sind es ganz unterschiedliche Hölzer, vorwiegend Eibe, Zirbelkiefer, Birke, Linde und Esche. Knotige Wurzelansätze, teils deutlich von der Verwitterung geprägt, zeugen von der Wuchskraft und Dichte eines einstmals lebendigen Baumes oder Strauches. Zerspaltene schroffe und borkige Stämme, die sich, als offenbarten sie ihr Innerstes, klafterartig öffnen, dienen dem Künstler als Basis und Grundton seiner sinnlichen, figürlichen Werke. Der Schwung des Gewachsenen erzählt eine Geschichte, das ist das Samenkorn, welches etwas Neues aus der Verlebten Struktur erwachsen lässt:

RDenner_020319-25
Bilder der Ausstellung
Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, und neues Leben blüht aus den Ruinen so hat es Friedrich Schiller verdichtet

Die gewachsenen Strukturen, Wurzeln und Verzweigungen des Holzes bleiben für den Betrachter sicht- und fühlbar, so dass die immer nur zum Teil naturbelassenen Werke eine zauberhafte Verbindung zwischen der Urwüchsigkeit und der en Detail ausformulierten Figur bilden. So wird die Schroffheit des alten Holzes zur körperlichen Verlängerung der im Habitus zumeist aufstrebenden Gestalten, die mit Stahlsockeln in luftige Höhen emporgehoben werden. Denners Werke thematisieren die Sinnlichkeit, Stille und ebendiese unglaubliche Verbindung des Vergänglichen mit dem Neuen.

Besonders deutlich wird dies in den Skulpturen im Saal II Metamorphosi I und Metamorphosi II. Metamorphose aus dem griechischen bedeutet so viel wie Umgestaltung | Verwandlung: Der Knabenkopf und sein teilweise sichtbarer Körper sind fein ausgearbeitet – die linke Körperhälfte besteht zum Großteil aus morsch wirkendem zersplittertem Eibenholz, das vom Verfall des Irdischen berichtet, die Knabenfigur schient aus dem zerfaserten Holz herauszuwachsen – oder ist es umgekehrt? Zerfällt die Figur? Das bleibt unserer Phantasie überlassen. Das zweite Stück ist ein weiteres Ast Stück derselben Eibe, in ihrem Naturzustand belassen und partiell in Blattgold gefasst. Klar und deutlich wird hier das Grundmaterial des Künstlers ebenso in Szene gesetzt wie die bildhauerische Arbeit selbst - sie verschmelzen zur Skulptur und machen deutlich das Kunst immer nur eine Projektion sein kann und jeder Künstler mit dem vorhandenen kombiniert, montiert und die Natur als Mutter aller Formen immer wieder neu interpretiert.

Fein polierte Oberflächen, behutsam farbig gefasst, zeigen in manchen Werken Spuren weißer Farbgebung, welche der feingliedrigen Anatomie der Figuren überirdische, weibliche und androgyn wirkende Züge verleiht. Die Stimmung und Ausführung der Werke erinnert oftmals an die Sakralfiguren der frühbarocken Holzbildhauerei. Die Oberflächen der Holzfiguren sind vorsichtig mit Farbpigmenten, Kupfer, Silber, Gold oder Schellack bearbeitet, fein poliert oder auch naturbelassen und kontrastieren so in ihrer sinnlichen Figürlichkeit mit dem rau gewachsenen.

Ein weiterer Werkkomplex sind fotorealistisch gearbeitete Skulpturen im Kindlichen Kanon und Ausdruck hier im Saal II: das kleine Mädchen mit dem Titel ‚Emma‘, barfuß und offenbar nackt, bis auf den kurzen gelben Regenmantel, blickt Emma selbstbewusst von ihrem Sockel und scheint vielleicht über etwas Bestimmtes nachzudenken. Sie wirkt ernst und entschlossen - wie vielleicht auch nur ganz kurz in ihre Gedanken versunken. Im Saal II sehen wir weitere Werke wie den Jona und auch die große Arbeit mit dem Titel ‚Ikarus‘. Zwei Knabenfiguren, die Engelähnlich mit flügelbildenden Wurzeln versehen genauso selbstbewusst wie die kleine Emma wirken. Auffällig die Gesten der Hände: Der Ikarus scheint an eine Tür zu klopfen? Eine Himmelstür? Er erhebt seine rechte Faust… die könnte aber ebenso auch als politisches Zeichen gedeutet werden. All dies bleibt offen und der Phantasie des Kunstbetrachters überlassen, so kommentiert der Bildhauer seine Arbeit. Seine Kunst soll auch gerne Kontroversen erzeugen und ist vieldeutig, was durchaus in seiner Absicht liegt. Lebensnah und gekonnt zeigt sich die fein beobachtete Anatomie der Knaben aus dem Holz herausgearbeitet. Gesichter, Handhaltung und Habitus künden vom Können des Künstlers. Ebenso das Talent vorhandene Formen, wie etwa das Flügelholz mit der Skulptur zu kombinieren, so dass sie zu einem Körper werden.

Denner hat in der Titelgebung oftmals die Namen der Modelle verwendet, Z.b. der Nachbarskinder oder auch die Namen von Freunden, die Modell sitzen, einfließen lassen. Einige Werke tragen mythologische Titel, wie etwa ‚Selene‘, so benennt er die zentrale Figur in der Amtsstube: Selene eine Mondgöttin aus der griechischen Mythologie – die lunare Figur scheint zu schweben, blickt von oben - leicht öffnet sie die Hände wie zu einer großen behutsam segnenden Geste. Sie ist ein großer Engel –Ihr verschlungenes Haar entspringt aus einem kleinen Astansatz.

Sie beherrscht den Raum, wie vorübergleitend. Ihr bemustertes Gewand verliert sich im Schwung des geborstenen Astes. Weitere Astansätze sind in ihrem Körper sichtbar.

Weitere weibliche Skulpturen wie die Gaia, gleich zentral hier eingangs im Saal I positioniert, groß, erdig und doch auch zart und weiß schwebt sie aufwärts. Gaia entstammt ebenfalls aus der griechischen Mythologie sie ist eine der ersten Gottheiten, die in der Erdbildung aus dem Chaos entstanden sind. Sie ist die Mutter Erde selbst. Die linke Gesichtshälfte dieser Skulptur ist für unser Layout dieser Ausstellung ausgewählt worden. Wenn Sie sich umschauen, entdecken Sie hier in der Schau weitere große Namen, aus der nordischen Mythologie ebenso wie aus dem neuen Testament. Die Sakral wirkenden Arbeiten sind, so betont der Künstler deutlich; nicht religiös gemeint, eher philosophisch, zeigen eine Verbindung zu elementaren Naturkräften, wie Mond, Sonne oder haben Bezug zu Begebenheiten aus Legenden und Mythen. Sie Sind angelehnt an Geschichten, an Gefühle und Weisheiten - lassen viel Raum für eigene Interpretationen und lassen sich ohne weiteres in die heutige Zeit transponieren. Sie erzählen ihre eigenen Geschichten. Der Untertitel der Ausstellung lautet ‚Die Sehnsucht nach der Figur‘ und ist der Suche nach der Form in der Urform geschuldet, die Figur die der Künstler immer neu aus dem Vorhandenen heraus arbeitet. Die feinen Bemalungen und farblichen Fassungen und Verblattgoldungen der ausgestellten Werke stammen von der Restauratorin und Bildhauerin Helena Ebner, die Lebensgefährtin des Künstlers, die seine Arbeit begleitet. Die Ausstellung umfasst insgesamt 16 unterschiedliche Exponate, darunter auch schlichte Wandreliefs in der Amtsstube und eine weitere große Arbeit, den Waldgeist aus Eschenholz, hier im Außenbereich der Schlossinsel. Lassen Sie die Werke auf sich wirken, erfühlen Sie sie genießen Sie den weiteren Verlauf des Nachmittages – ich wünsche Ihnen schöne Gespräche über die Kunst und ebenso schöne Einblicke in die Werke.

Karin Weißenbacher Malerin und Bildhauerin
Leitung GALERIE ATELIER III